Ernährung betrifft uns alle. Täglich, lebenslang. Vom ersten Löffel Brei bis zum Glas Rotwein am Abend. Doch kaum ein Lebensbereich ist so durchzogen von Halbwahrheiten, Trends und hartnäckigen Mythen wie unsere Essgewohnheiten. Die einen schwören auf Selleriesaft als Detox-Wunder, andere verteufeln Brot, als hätte es Schuld am Weltuntergang. Und wieder andere glauben fest daran, dass ein bisschen Hagebuttenpulver den Orthopäden ersetzt.
Aber was stimmt wirklich? Was hat wissenschaftlichen Boden – und was ist nur gut vermarktete Küchenfolklore?
Zeit, die Schürze umzubinden, die Lupe rauszuholen und gemeinsam einen tiefen Blick in den Kochtopf der Ernährungsmythen zu werfen.
Mythos 1 – „Kohlenhydrate machen dick.“
Ein Klassiker – und ein echtes Missverständnis. Kohlenhydrate sind nicht der Feind, sie sind unser Treibstoff. Unser Gehirn beispielsweise ist ein regelrechter Zucker-Junkie. Es deckt seinen Energiebedarf fast ausschließlich über Glukose. Wer also versucht, „Carbs“ vollständig zu meiden, bremst nicht nur seine Leistungsfähigkeit, sondern riskiert Stimmungsschwankungen, Müdigkeit und Konzentrationsprobleme.
Natürlich heißt das nicht, dass Zuckerbomben plötzlich gesund sind. Entscheidend ist die Qualität der Kohlenhydrate:
Unterscheide mit Verstand:
- Einfache Kohlenhydrate: Weißmehl, Süßigkeiten, gezuckerte Getränke – sie verursachen Blutzuckerspitzen und Heißhunger.
- Komplexe Kohlenhydrate: Vollkornbrot, Naturreis, Quinoa – sie sättigen nachhaltig, liefern Mineralstoffe und Ballaststoffe.
Wer seinen Blutzucker stabil halten möchte, kann zusätzlich auf natürliche Ergänzungen wie Traubenkernextrakt setzen. Dieser ist reich an antioxidativen Polyphenolen und kann helfen, die Wirkung von freien Radikalen zu reduzieren – insbesondere in Phasen mit schwankender Energiezufuhr.
Wie so oft ist es nicht das Was, sondern das Wie viel und in welcher Form, das den Unterschied macht.
Mythos 2 – „Ballaststoffe sind nur Füllstoff.“
Das Wort klingt abschätzig – fast wie ein lästiger Mitfahrer im Essen. Doch Ballaststoffe sind in Wahrheit stille Helden unseres Alltags. Sie quellen im Darm auf, regen die Verdauung an und halten unseren Blutzuckerspiegel stabil wie ein Anker im Sturm. Noch spannender: Sie sind das Lieblingsfutter unserer Darmbakterien – jener Billionen Mikroben, die unsere Gesundheit stärker beeinflussen, als lange angenommen.
Ein gesunder Darm beeinflusst nicht nur das Immunsystem, sondern auch unsere Stimmung. Ja, richtig gelesen: Ein träger Darm kann tatsächlich auf die Psyche schlagen – nicht umsonst spricht man vom „Bauchhirn“.
Besonders ballaststoffreich sind:
- Haferkleie, Leinsamen und Flohsamen
- Hülsenfrüchte wie Linsen und Kichererbsen
- Obst und Gemüse mit Schale
- Vollkornprodukte aller Art
Ballaststoffe machen satt, regulieren die Verdauung und senken sogar das Risiko für bestimmte Krebsarten. Sie sind also alles andere als überflüssig – sie sind elementar.
Mythos 3 – „Vitamin B12 – davon hat jeder genug.“
Viele Menschen glauben, sie seien mit Vitaminen gut versorgt – solange sie sich „halbwegs ausgewogen“ ernähren. Doch Vitamin B12 ist eine Ausnahme. Es kommt fast ausschließlich in tierischen Lebensmitteln vor – Fleisch, Fisch, Eier und Milchprodukte. Pflanzen können es schlichtweg nicht produzieren.
Vegane Ernährung liegt im Trend – und das ist begrüßenswert. Doch ohne B12-Supplementierung drohen langfristig ernsthafte Mangelerscheinungen: Anämie, Nervenschäden, Konzentrationsverlust, sogar irreversible neurologische Ausfälle. Ein schleichender Prozess, der oft erst bemerkt wird, wenn es zu spät ist.
Tipp: Ein regelmäßiger Bluttest beim Hausarzt ist unkompliziert – und gibt Sicherheit. Besonders für Veganer, ältere Menschen oder Personen mit Magen-Darm-Erkrankungen ist das sinnvoll. Denn auch wer tierische Produkte isst, kann unter einem „stillen“ Mangel leiden – etwa durch eine gestörte Aufnahme im Magen.
Mythos 4 – „Hagebuttenpulver wirkt Wunder bei Gelenkschmerzen.“

Die leuchtend roten Früchte des wilden Rosenstrauchs sind in der Naturheilkunde seit Jahrhunderten beliebt – reich an Vitamin C, Antioxidantien und sekundären Pflanzenstoffen. In Pulverform sollen sie Entzündungen hemmen und Gelenkschmerzen lindern. Besonders bei Arthrose steht die Wirkung von Hagebuttenpulver im Fokus.
Einige Studien zeigen, dass die Wirkung von Hagebuttenpulver bei Arthrose-Beschwerden eine leichte Verbesserung bringen kann. Der enthaltene Wirkstoff Galaktolipid scheint entzündungshemmend zu wirken. Doch Wunder darf man nicht erwarten. Wer unter chronischen Schmerzen leidet, sollte nicht auf Hagebutten setzen – sondern auf ärztliche Betreuung, Bewegung und langfristige Strategien.
Heißt das, das Pulver sei nutzlos? Nein – aber es ist eher ein sanfter Helfer als ein medizinischer Durchbruch. Wie ein stiller Beistand, nicht der Hauptakteur auf der Bühne. Darüber hinaus kann aufgrund des hohen Vitamin-C-Gehalts Hagebuttenpulver das Immunsystem stärken. Besonders in den kalten Monaten ein willkommenes Plus.
Ernährung für den Geist – Gibt es wirklich Brainfood?
Kann man mit Nüssen schlauer werden? Oder mit Blaubeeren schneller denken? Die Antwort ist ein vorsichtiges: Jein.
Es gibt Lebensmittel, die die Konzentration fördern, Entzündungen im Gehirn hemmen oder die Durchblutung verbessern. Doch sie wirken nicht wie ein Espresso – sofort und deutlich. Vielmehr entfalten sie ihre Kraft über die Zeit – als Teil eines großen Ganzen.
Diese Lebensmittel tun dem Gehirn besonders gut:
- Walnüsse & Leinsamen – pflanzliche Omega-3-Fettsäuren für gesunde Nervenzellen
- Lachs & Makrele – liefern DHA, eine essenzielle Fettsäure für die Reizweiterleitung
- Dunkle Schokolade – in Maßen ein Genuss, der die Durchblutung im Gehirn anregen kann
- Beeren – schützen durch Anthocyane vor freien Radikalen
- Haferflocken & Vollkorn – konstante Energieversorgung, kein Mittagstief
Doch Brainfood ist kein Wundermittel. Es ersetzt weder Schlaf, noch Bewegung oder geistige Herausforderungen. Wer geistig fit bleiben will, sollte regelmäßig lesen, neue Dinge lernen – und auch mal in die Ferne schweifen.
Was wir aus all dem mitnehmen können
Ernährung ist kein Dogma. Kein schwarz-weißes System aus Gut und Böse. Sie ist ein Netz aus Bedürfnissen, Emotionen, Fakten – und ja, auch Gewohnheiten.
Sie kann uns heilen, nähren, aufrichten. Aber sie darf auch einfach mal schmecken. Ein Stück Kuchen bei Oma. Ein rustikales Abendbrot mit Freunden. Oder ein Teller dampfender Eintopf an einem grauen Winterabend. Diese Mahlzeiten sind mehr als Kalorien – sie sind Erinnerungen. Nähe. Leben.
Fünf Gedanken, die bleiben dürfen:
- Ernährung muss nicht perfekt sein – aber bewusst.
- Trends sind oft laut – echte Gesundheit ist leise.
- Was dem Körper guttut, zeigt er uns. Wir müssen nur zuhören.
- Wissen schützt vor teuren Irrtümern – und führt zu besserem Genuss.
- Essen ist kein Feind. Es ist unser täglicher Verbündeter.
Denn am Ende ist die wichtigste Frage nicht: Was darf ich essen?, sondern:
Was nährt mich wirklich – körperlich und seelisch?